von Alexandra Martin
(hier geht es zur Anfangsgeschichte-Gertrud-Und wie Sie ihr Schicksal meistert!)
Der Herbst war gekommen und nach dem Check-up beim Reptilien Tierarzt, begann nun also auch für Gertrud die Vorbereitung auf die Starre.
Die fallenden Temperaturen und die weniger werdenden Sonnenstunden haben die kleine Kämpferin nicht davon abgehalten weiterhin ordentlich zu fressen, zu sonnen und aktiv zu sein. Solange es das Wetter zugelassen hat, durfte sie ins Freigehege. Bei schlechtem Wetter gab es „Hausarrest“ im Frühbeet mit Technik.
Leider gab es im Spätsommer bei extrem heißen Temperaturen einen Zwischenfall, der mir nicht aus dem Kopf gehen wollte:
Ich kam gerade von der Arbeit nach Hause und auch mein Sohn hatte gerade seinen Schultag hinter sich gebracht. Während ich noch schnell die Post durchsehen wollte, ging mein Sohn nach draußen um erstmal nach den Schildkröten zu sehen.
Auf einmal schrie er panisch nach mir.
Gertrud lag mitten in der prallen Sonne auf dem Rücken!!!
Bis ich kam, hatte Jonah sie vorsichtig umgedreht und in den Schatten gesetzt. Sie hatte Schaum vor dem Mund und fing an unkoordiniert mal links, mal rechts zu gehen. Als ich sie anfasste bin ich wirklich erschrocken, wie heiß sie war und welche Wärme sie abstrahlte. Wir nahmen sie mit ins Haus um sie im Waschbecken mit lauwarmem Wasser langsam herunter zu kühlen, was uns zum Glück auch gelang. Nachdem sie sich wieder normal anfühlte, brachten wir sie an die schattigste und kühlste Stelle des Geheges um ihr nicht noch mehr Stress zuzumuten. Wir beobachteten sie sehr genau und nachdem sie mehrfach Kot abgesetzt hatte und sich an die kühle Erde schmiegte, fand sie wieder Ruhe.
Was tun?
Die Nächsten Tage ließen wir sie kaum aus den Augen und sie erholte sich gut. Der Schock saß allerdings bei uns allen tief. Der Horror jedes Schildkröten-Halters!
Durch die große Verletzung mittig auf dem Panzer hat Gertrud aber quasi keinerlei Chance sich selbständig zu drehen, wenn sie komplett auf den Rücken kippt. Sie rastet regelrecht ein.
Anfangs, als sie zu uns kam, machten wir uns Gedanken über so eine Art Panzerprothese um die Wunde zu schützen. Da diese aber so schnell und gut abgeheilt war und auch stabil wurde, hatten wir den Gedanken nach hinten geschoben. Luft und Licht sollte an die Verletzung und da alles stabil war, dachten wir, sie bräuchte das gar nicht.
Nun grübelte ich ständig über eine Art Überrollschutz, damit sie nicht mehr komplett auf den Rücken fallen konnte. Leicht müsste es sein, Löcher sollte es haben…mir schwirrte eine Art Nudelsieb durch den Kopf, aber wie sollte man sowas basteln? Da stricken nicht zur Debatte stand, brauchte ich eindeutig Hilfe!
Ich sprach in den nächsten Wochen immer wieder Leute an, aber niemand konnte mir helfen. Leider hatte irgendwie keiner einen 3-D Drucker zuhause rumstehen.
Sich bei einer Firma eine professionelle Datei erstellen oder den Panzer abscannen und anhand dessen etwas im 3-D Drucker anfertigen zu lassen wäre unbezahlbar gewesen.
Die Idee mit dem 3-D Drucker!
Im November erzählte ich einem Studenten von meiner Idee und er war extrem interessiert. Aus einem Gipsabdruck von Gertruds Panzer erstellte er eine Datei und sendete mir diese mit einer detaillierten Anleitung, mit der ich diese dann, bei einer Firma für maßangefertigten 3-D Druck online hochladen konnte.
Unglaublich was technisch so alles möglich ist!
Anfang Dezember kam das Teil mit der Post. Ein maßangefertigtes Einzelstück: Gertruds Panzerprothese!
Euphorisch ging es gleich mal kurz zur ersten Anprobe:
Passt fast perfekt!!
Die Feinabstimmung sollte dann nach der Starre folgen und das, wo Geduld so gar nicht meine Stärke ist!
Das Wetter meinte es extrem gut mit uns. Die warmen Temperaturen machten es uns leicht, Gertrud lange genug wach zu halten um eine verkürzte Starre zu gewährleisten ohne sie schon im Februar wecken zu müssen.
Um sie genau im Auge behalten zu können, haben wir uns (zusammen mit dem Tierarzt) für die Überwinterung im Kühlschrank entschieden. Da ich so etwas noch nie gemacht habe (hier gibt es nur Überwinterungsgruben) und ich es mir zwecks mangelnder Erfahrung bei einem Fall wie Gertrud einfach nicht zugetraut habe, brachten wir unsere Dame Ende Dezember in die Auffangstation Kitzingen, wo sich Sandra Malguth mit all ihrer Erfahrung und mit regelmäßiger Rücksprache mit Gertruds Arzt, um die Überwinterung kümmerte.
Es war unheimlich schwer die Verantwortung abzugeben! Als Kontrollfreak fällt mir sowas wirklich nicht leicht, aber ich wusste, sie ist in guten Händen.
Die Panzerprothese wird angepasst
Gertrud hatte die Starre toll gemeistert. Ich war unheimlich stolz und beruhigt, als sie wieder aufgewacht war.
Wie vorher schon mit dem behandelten Arzt, Tobias Friz, besprochen, bekam Gertrud direkt nach der Starre während einem stationären Aufenthalt Infusionen und Medikamente um ihre Leber zu unterstützen. Mit dieser „Starthilfe“ kam sie schnell wieder richtig in Schwung und fing wieder an, mit Appetit zu fressen. Seit sie wieder zu Hause ist bekommt sie täglich eine Tablette als Leberkur. Wir hoffen, die Werte somit bis zum nächsten Herbst in den Normbereich zu bekommen, um sie dann ganz selbständig in der Überwinterungsgrube starren lassen zu können.
Nachdem sie sich zuhause wieder richtig eingelebt hatte, holten wir sie ins Haus um die Panzerprothese noch richtig anzupassen:
Vorne und hinten musste die Rundung noch etwas verbessert werden um einen optimalen Sitz zu garantieren.
Mein Mann rückte der Prothese jetzt also mit dem Drehmel zu Leibe und der „Sturzhelm“ passte innerhalb kürzester Zeit perfekt! Nach Absprache mit dem Tierarzt hatten wir uns gegen den zuerst geplanten Bauchgurt (zum Befestigen) entschieden. Sie würde wahrscheinlich daran hängen bleiben oder das Ganze würde komplett verrutschen.
Der Tipp vom Tierarzt war nun einfaches Leukosilk-Klebeband. Das ist Atmungsaktiv, hält gut und ist trotzdem sanft zum Panzer. Auch das Überkleben der Panzernähte ist damit kein Problem.
Gertrud ließ das Anpassen, Probieren und erste Ankleben gewohnt entspannt über sich ergehen und fühlte sich durch ihre neue Schutzausrüstung in keiner Weise gestört.Wir beobachteten sie die nächsten Tage wieder extrem genau um zu sehen, ob sie evtl. irgendwie hängen bleibt oder sich irgendwo schubbert um das Ding los zu werden. Ihr war allerdings überhaupt nichts anzumerken und es hat sich bis jetzt noch nirgends als gefährlich oder störend gezeigt. Einzig ihre Lieblingshöhle musste ich etwas vergrößern.
Im Praxistest hat sich gezeigt, dass sie durch die Prothese auf der Seite zum Liegen kommt und nicht komplett auf den Rücken kippt. Von der Seite kann sie sich ohne Probleme wieder zurück drehen. Ich muss gestehen, dass ich das zur Sicherheit probieren musste und sie dafür mit Absicht auf den Rücken gelegt habe. Ich hoffe, sie nimmt mir das nicht übel. Die Prothese trägt sie nun rund um die Uhr. Das Klebeband wird bei Bedarf gewechselt. Es hält aber super!
Durch die Löcher in der Prothese kommt Sonne und Licht an die Panzerverletzung. Da sich Gertrud, wie die meisten Schildkröten, zum Schlafen im Frühbeet einbuddelt, sammeln sich natürlich Erde und Schmutz durch die Löcher unter der Prothese. Das kann man aber einfach herauspusten. Auspusten musste ich die Verletzung aber vorher auch schon täglich, da sich auch ohne Prothese dort die Erde gesammelt hatte.
Alles in Allem sind wir also mit der „Sturzhelm“ Lösung sehr zufrieden!
Als nächstes sind wir nun gespannt, ob Gertrud dieses Jahr Eier legen wird. Vom Gewicht her wäre es ja Zeit. Letztes Jahr hat sie aufgrund des Stress und der körperlichen Belastung durch die Verletzung und Heilung pausiert.
Es bleibt also aufregend und wir freuen uns jeden Tag beobachten zu dürfen, wie zufrieden sie durch ihr Reich streift und die Sonne genießt.