Ein Paradebeispiel, wie man in relativ kurzer Zeit ein naturnahes Schildkrötengehege auf die Beine stellt, ist Ulrike Landau. Es ist nun mal nicht damit getan eines dieser Urzeittiere aufzunehmen, sondern diesem Reptil auch ein naturnahes Heim zu bieten.
Also besucht Ulrike Workshops, bildet sich weiter, erfährt vieles über diese Panzertiere. Auch die (in einigen Schildkrötengruppen auf Facebook genannten) „bösen“ Besserwisser stehen immer mit Rat und Tat zur Seite und helfen, wo Hilfe nötig ist. Besonders Barbara (eine ganz liebe Schildkrötenfreundin auch von mir) tut sich hier hervor.
Und hat einen das Schildkrötenfieber mal gepackt, kommt dann schnell mal ne neue Art hinzu. So turnt nun ein ganz besonderer Regenwaldbewohner in Ulrikes Wohnzimmer herum (natürlich im eigenen Terrarium!).
Frage 1:
Welche Schildkrötenart hältst du? Und seit wann?
„Möchtest du eine Schildkröte haben?
Die ist hier übrig und du kannst sie ganz einfach im Haus halten.“
So wurde ich im Sommer 2017 gefragt – und zwei Tage später konnte und sollte ich die Thb 0.1 (11 Jahre) abholen. Bis dahin war mir schon klar: So einfach ist das nicht, ich muss meinen kleinen Garten mit ihr teilen. Zum Glück bin ich schnell in einigen guten Facebook-Gruppen gelandet, fand dort viele hilfreiche Informationen, befolgte vieles, glaubte dummerweise nicht alles, bestellte ein 6 mm-Frühbeet und fing an ein Gehege zu bauen.Viele der typischen Anfängerfehler habe ich auch gemacht, aber dann immer wieder nachgelesen, gefragt und verbessert. Bei Schildkrötentagen, wie z. B. 2018 in Dorsten, habe ich liebe Schildkrötenfreunde kennengelernt, weitere Vorträge besucht und immer mehr dazu gelernt.
Zwei Jahre später kam Gretchen, eine 8-jährige kleine Thherc., aus der Schildkrötenauffangstation Dorsten dazu. Nach der Quarantänezeit zusammengesetzt vertrugen sich die beiden Mädels zeitweise gar nicht, und brauchten und brauchen bis heute immer wieder längere Phasen, um die Chefin unter sich auszumachen.Schließlich kam 2019 noch Fridolin in meinen Haushalt, eine männliche Geoemyda spengleri (Chinesische Zacken-Erdschildkröte), die als Regenwaldbewohner in ein Terrarium in mein Wohnzimmer einzog.
Frage 2
Wie hieß deine erste Schildkröte?
Mathilda, sie bekam ihren Namen von meinen Töchtern. Sie durften ihn sich aussuchen, denn eine von beiden wird hoffentlich mal meine Tiere übernehmen, wenn diese mich planmäßig überleben werden.
Frage 3
Wie hältst du eure Schildkröten und welche Technik benutzt du?
Die beiden THBs leben im Gehege draußen mit einem mittlerweile guten Frühbeet, das mit der nötigen Technik für Licht und Wärme ausgestattet ist. Im Winter hält die Deckelheizung das Schlafhaus frostfrei, für ganz kalte Tage gibt es einen tüchtigen Heizlüfter als Notreserve.
Das Frühbeet habe ich an Frost-Tagen mit Decken und Noppenfolie eingewickelt, sodass der Lüfter kaum anspringen musste.
Frage 4
Welche Wildkräuter fressen deine Tiere am liebsten?
Als sie in diesem Jahr nach den langen kalten Wochen endlich aus dem Frühbeet ins Gehege durften, stürzten sie sich auf Mondviolen, noch weitere Mondviolen und dann erst auf Löwenzahn und den zarten Rainkohl.
Der Renner wenige Wochen später waren eine zeitlang die Blätter der Flockenblume und an einem einzigen Tag die kompletten verblühten Hornveilchen. Generell fressen sie gerne Spitz- und Breitwegerich (keine Ahnung, was immer mit den zahlreich ausgesäten Samen des mittleren Wegerichs passiert, der wächst einfach nicht bei mir), Knoblauchsrauke solange sie zart und jung ist.
Manchmal mögen sie den Bärlauch aus Nachbars Garten (habt ihr die Blätter schon mal ins Frühbeet gelegt? Danach kann ich zwei Tage den Deckel nicht mehr öffnen, ohne ohnmächtig umzufallen). Wegwarte ist cool, Mohn wird verschmäht.
Frage 5
Was waren die dramatischsten bzw. schlimmsten Erlebnisse mit deinen Schildkröten?
Meine Große hatte in den ersten zwei Jahren im Kühlschrank gestarrt. Alles lief ganz easy, so wie ich es gelernt hatte. Im nächsten Jahr kam die kleine Herci dazu und die brachte mich an meine Grenzen.
Im Herbst beim Umsetzen vom Frühbeet in den Kühlschrank hatte sie sich komplett eingezogen und bewegte sich auch nach festerem Anstupsen nicht. War sie etwa tot? Oh weh, oh je! Ich habe sie von allen Seiten angesehen, ins Helle gehalten, geklopft, gestreichelt, für das Frühjahr die feinsten Kräuter versprochen, noch eine Weile gewartet… nichts.
In meiner Not habe ich die liebe und erfahrene Barbara Hentschke angerufen. Was tun? Ihr Rat: Etwas wärmer stellen in den mit 15 Grad temperierten Keller, wenn sich nichts ändert, in den Wohnungsflur hochholen, also nach und nach wärmer stellen… Aber- wieder nichts. Völlig verzweifelt und unter Tränen habe ich nach eineinhalb Stunden die Styroporbox geholt, das Begleitschreiben für die Obduktion bei exomed ausgedruckt, und dann ein letztes Mal nach dem Tier geschaut.
Und da saß es, einen halben Meter weiter vom ursprünglichen Ort entfernt, den Kopf angehoben und schaute mich an. Welche Erleichterung und Freude! Danke, Barbara, für die erste Hilfe per Telefon! Nun weiß ich, dass sich meine beiden Tiere in der Starre ganz unterschiedlich verhalten und das so in Ordnung ist. Vielleicht haben sie in der in dieser Zeit auch ganz unterschiedliche Bedürfnisse und passen gar nicht bei einer Einheitstemperatur zusammen in den Kühlschrank? Mittlerweile gibt es draußen eine Grube, in der beide Tiere überwintern. Nun kann jede starren wie sie möchte und nach ihren eigenen Bedürfnissen.
Frage 6
Was waren deine schönsten Erlebnisse mit den Panzerträgern?
Jedes Jahr, immer wieder aufs Neue: Das Erwachen meiner Griechen aus der Starre oder der Spengleri nach der Winterruhe. Jedes Mal rührt es mich zu Tränen und jedes Mal fällt mir ein großer Stein vom Herzen, der mich den Winter über begleitet hat.
Frage 7
Hast oder hattest du Krankheitsfälle/Verletzungen bei deine Tieren und was hast du getan/tust du?
Bis auf einen Krähen-Angriff, der sehr glimpflich ausgegangen ist, gab es zum Glück bisher keine Verletzungen oder Erkrankungen. So schnell werde ich den Anblick der flügelschlagenden Krähe auf meinem Tier nicht vergessen.
Nun gibt es wieder ein Netz über dem Gehege. Das abendliche Einsperren ins Frühbeet ist sowieso schon immer eine Pflicht ohne Ausnahme, denn phasenweise machen sich Ratten im Garten bemerkbar.
Frage 8
Wer kümmert sich um deine Tiere, wenn du in Urlaub fährst?
Das macht meine ältere Tochter, die sich mittlerweile bestens auskennt. Eine Nachbarin kann es auch für wenige Tage übernehmen, wenn ich ihr eine Box mit Wildkräutern für den Kühlschrank gebe.
Allerdings kann ich ihr das Füttern der Spengleri mit Lebendfutter nicht zumuten. Bisher gab es immer einen Weg.
Frage 9
In ein, zwei Sätzen: Was würdest du Anfängern raten?
Es besser zu machen als ich anfangs mit meinem ersten Tier. Ausreichend informieren, den alten Hasen Glauben schenken, alles bauen und vorbereiten, und erst wenn alles fertig und die Versteck- und Futterpflanzen groß genug sind, das Tier übernehmen. Alles andere geht zulasten der Schildkröten.
Frage 10
Hattest du mal die Möglichkeit, Schildkröten in ihrem natürlichem Lebensraum zu beobachten?
Nein, bisher leider nicht. Aber es steht auf meinem Plan, sobald es coronabedingt wieder möglich ist. Ich habe das griechische Festland ins Auge gefasst. Darauf freue ich mich schon sehr.
Frage 11
Was fasziniert dich so an diesen urzeitlichen Tieren?
Die unglaubliche Ruhe, die die Schildkröten oft ausstrahlen, beeindruckt mich. Das Beobachten der Tiere nimmt mich aus jeder Hektik heraus und die Zeit bleibt stehen. Die Schildkröten brauchen ein passendes Umfeld, aber nicht mich. Sie existieren ohne mich.
Und trotzdem sehe ich uns als ein funktionierendes und eingespieltes Team, wenn sie nach einem erlebnisreichen und erfüllten langen Sommertag im Gehege abends brav in ihrem Haus im Frühbeet liegen, wie gewohnt aufeinandergestapelt, und schlafen.
Danke Ulrike für das Interview!
Antworttexte und Gehegebilder: Ulrike Landau
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