Nachgefragt-Teil 28

Frauke Hustinx, Redakteurin der RADIATA, dem Journal der AG Schildkröten DGHT, hält seit 17 Jahren Europäische Landschildkröten.

Sie engagiert sich im Schildkröten-Schutz und berät ehrenamtlich zur artgerechten Haltung von Europäischen Landschildkröten. Seit 2018 hat sie den Sachkundenachweis Schildkröten der Vive e.V. Besonders am Herzen liegen ihr die Tiere in den Auffangstationen (Forum für Schildkröten-Auffangstationen). Eine andere Herzensangelegenheit ist ihr www.schildkröte-entlaufen-vermisst-gefunden.com.

Frauke ist Mitglied der Turtle Survival Alliance TSA, der AG Schildkröten DGHT, der Interessengemeinschaft Schildkrötenschutz IGSN, der Schildkrötenhilfe-Nordbayern e.V. und der Vive e.V.

Frage 1:
Welche Schildkrötenart hältst du? Und seit wann?

Wir halten eine Maurische und zwei Griechische Landschildkröten, getrennt in 3 Gehegen. Zuerst kam unsere Testudo graeca Mono aus dem Terrarium einer Reptilienshow zu uns. Das ist jetzt 17 Jahre her. Kurz darauf folgten Emma und Schildi, zwei Testudo hermanni boettgeri, Griechische Landschildkröten der östlichen Unterart.

Frage 2
Wie hieß deine erste Schildkröte?

Mona, später Mono. Als er zu uns kam, war er noch zu klein, um das Geschlecht bestimmen zu können.

Frage 3
Wie hältst du eure Schildkröten und welche Technik benutzt du?

Unsere Schildkröten leben in eigenen Freigehegen mit Zugang zu beheizten Alltop-Frühbeeten mit Sonnenplatz. Aufgrund der verschiedenen Arten, Geschlechter und Unverträglichkeiten leben die Tiere getrennt.

Abends vor Einbruch der Dämmerung werden die Schildkröten zum Schutz vor Fressfeinden eingeschlossen, und morgens dürfen sie wieder raus, sobald es hell ist. Je nach Wetterlage schützen dann bei geöffneten Türen Lamellenvorhänge die Frühbeete vor dem Auskühlen.

Da wir direkt am Landschaftsschutzgebiet wohnen, gibt es bei uns einen hohen Fressfeinde-Druck. Unsere Gehege sind daher rundum gesichert gegen das Eindringen von größeren Prädatoren wie Waschbären, Milanen und Füchsen.

In den Übergangszeiten verbringen die Tiere viel Zeit in den Frühbeeten, deshalb haben wir für jede Schildkröte ein 3m2 großes Frühbeet. So können sie ihre Lauffreude ausleben und sich in unterschiedlichen Temperaturbereichen aufhalten. Viele Versteck- und Futterpflanzen sorgen für Schutz, Beschäftigung und ein gutes Mikroklima in den Frühbeeten.

Zur Technik: Für die Grundtemperatur nutzen wir Gewächshausheizer von Güde, die über Thermo-Timer gesteuert werden, dadurch ist die Absenkung der Nachttemperatur leicht realisierbar.

Seit einigen Jahren setze ich in den Frühbeeten UV-Lampen ein, und zwar Jetter Lightstorm 70 Watt. Diese werden zeitgesteuert, um die Lebensdauer zu maximieren. Zusätzlich verwende ich seit letztem Jahr LED Strips des gleichen Herstellers für mehr Licht im Frühbeet, um etwas „mediterranere Lichtverhältnisse“ zu simulieren. Alle Steuerungs- und Vorschaltgeräte sind zum Schutz vor Feuchtigkeit in einer Box mit Luftentfeuchterkissen untergebracht.

Die Frühbeete sind mit automatischen Frühbeet-Öffnern ausgestattet zum Schutz vor Überhitzung.

In jedem Frühbeet befinden sich auf Schildkrötenhöhe und im Erdreich Temperatur-Sensoren, um zu ermitteln, ob die Temperaturen passen. Gibt es ein Problem, so bekomme ich einen Alarm aufs Handy (WeatherHub TFA Dostmann).

Ihre Winterstarre verbringen meine Tiere im gut vorbereiteten und mittels Temperaturalarm und Universalthermostat als „Not-Aus“ abgesicherten Kühlschrank. Mehr Infos zum Thema Kühlschranküberwinterung gerne in dieser Gruppe http://www.facebook.com/groups/starregruppe.

Frage 4
Welche Wildkräuter fressen deine Tiere am liebsten?

Unsere Tiere gehen selbständig in ihren Gehegen weiden, und wir füttern zu mit anderen Wildkräutern, Blättern und Blüten, damit die Auswahl auch zum Saisonende möglichst groß bleibt.

Im Garten habe ich einige Beete und Hochbeete mit Wildkräutern angelegt. Das ist auch praktisch, wenn einmal jemand anderes die Tiere versorgt. Sehr gerne wird Wegerich gefressen, aber auch Vogelmiere, Portulak, Kletten-Labkraut, Wegwarte, Gänsedistel, Taubnessel und Malven sind beliebt.

Emma liebt Klatsch-Mohn so sehr, dass sie absolut alles von der Pflanze frisst. Leider war die Aussaat von Mohnsamen ins Freiland bei uns kein Erfolg.
Aus 10.000 Samen wuchsen nur 10 Pflanzen. Hibiskus Blätter sind fast beliebter als die Blüten. Löwenzahn, Mariendistel, Weide und Maulbeerbaum werden auch gerne gefressen. Im Hochsommer erhalten unsere Tiere eingeweichte Heucobs als Zufutter, da dann auch im Habitat überwiegend Trockenes gefressen wird.

Freigehege von Frauke

Frage 5
Was waren die dramatischsten bzw. schlimmsten Erlebnisse mit deinen Schildkröten?

Schildi, die Schildkröte meines Sohnes, neigte eine Zeit lang zum Umkippen. Aufgrund ihrer Panzeranomalie kann sie sich nicht gut umdrehen. Im Gehege haben wir an die Stellen, wo es passierte, kräftige mediterrane Kräuter gepflanzt und Steine hingelegt, an denen sie sich zur Not wieder aufrichten kann

Frage 6
Was waren deine schönsten Erlebnisse mit den Panzerträgern?

Am schönsten finde ich jedes Jahr, wenn sie aus der Winterstarre erwachen und im Nu wieder alles im Frühbeet verwüsten, baden, sonnen und die im Frühbeet ausgesäten Wildkräuter dezimieren.

Die Schildkröten zu beobachten, wenn sie in der Saison durchs Gehege streifen, im lichten Schatten chillen und weiden, ist wirklich unglaublich schön. Es ist oft eine Herausforderung, sie überhaupt zu entdecken unter ihren Lieblings-Versteckpflanzen, sie sind perfekt getarnt und geradezu unsichtbar.

Freigehege von Frauke Hustinx

Frage 7
Hast oder hattest du Krankheitsfälle/Verletzungen bei deine Tieren und was hast du getan/tust du?

Wir hatten vor einigen Jahren Probleme mit einer Legenot nach der Winterstarre. Kurz nach dem Auswintern legte unsere Emma „Rührei“. Der Reptilientierarzt hat probiert, ein Ablegen der weiteren auf dem Röntgenbild sichtbaren Eier und Schalenstücke einzuleiten, aber ohne Erfolg.

Daraufhin musste Emma durch eine Öffnung des Plastrons operiert werden, und dabei wurde entdeckt, dass ein Ei mit der Legehaut verwachsen war, woraufhin alles in einer Total-OP endete. Emma hat die OP mit Müh und Not überstanden. Es war schwierig, sie aufzupäppeln, da sie sehr schwach war und Futter verweigert hat.

Am schlimmsten war der folgende Winter, in dem sie nicht starren durfte. Es war ein Kraftakt, sie wachzuhalten, und sie bewegte sich kaum. Inzwischen hat sie das Ganze gut verkraftet. Was ich daraus gelernt habe, ist, dass man beim Aufpäppeln von Schildkröten ausgesprochen viel Geduld haben muss und nicht zu früh aufgeben darf.

Aufgrund der suboptimalen Vorhaltung hatten außerdem beide Weibchen zeitweise Leber- und Nierenprobleme, die nur medikamentös in den Griff zu bekommen waren.

Frage 8
Wer kümmert sich um deine Tiere, wenn du in Urlaub fährst?

Wenn ich einige Tage unterwegs bin, kümmert sich meine Familie liebevoll um die Tiere. Unsere Kinder sind von klein auf mit in die Pflege einbezogen worden.

Eine liebe Freundin versorgt unsere Schildkröten, falls wir alle unterwegs sind. Sie schaut zweimal am Tag vorbei, kontrolliert Technik und Temperaturen, füttert, wechselt Wasser und sammelt die Tiere abends in den Gehegen ein zum Schutz vor Fressfeinden. Sie hat auch eine App auf dem Handy für die Temperaturüberwachung.

Ich bin sehr froh, dass ich jemanden habe, dem ich absolut vertrauen kann, ansonsten würde ich nicht in Urlaub gehen können.

Freigehege von Frauke Hustinx

Frage 9
In ein, zwei Sätzen: Was würdest du Anfängern raten?

Zunächst gut informieren, und einen geeigneten Lebensraum schaffen, bevor man eine Schildkröte anschafft.

Schildkrötenhaltung ist kein günstiges Hobby.

Da eine Haltung ohne Technik für Europäische Landschildkröten nicht in Frage kommt, sollte man eine höhere Summe für ein hochwertiges Frühbeet und Technik einplanen und auch an die stets steigenden Energiekosten denken.

Berücksichtigen sollte man nicht zuletzt, dass Europäische Landschildkröten 100 Jahre alt werden können, also könnte man überlegen, ob auch ein älteres Tier aus einer Auffangstation in Frage kommt (Schildkröten-Auffangstationen).

Wenn es um die Haltung geht, sollte man sich möglichst am Habitat orientieren, Klimadaten, Begebenheiten und Wetter im Herkunftsgebiet der Tiere studieren und sich daran orientieren. Dann kann man nicht viel falsch machen. Und immer am Ball bleiben, sich stets weiter informieren in Büchern, Schildkröten-Zeitschriften, den Facebook-Communities, bei Vorträgen und auf Tagungen.

Schildkrötengehege von Frauke

Frage 10
Hattest du mal die Möglichkeit, Schildkröten in ihrem natürlichem Lebensraum zu beobachten?

Der Ursprung meiner Faszination für Schildkröten sind Urlaube in Griechenland, bei denen ich schon als Kind die Gelegenheit hatte, Griechische Landschildkröten in der Natur zu beobachten.

Seitdem hat mich das Thema „Schildkröten“ nicht mehr losgelassen. Inzwischen habe ich unter anderem Caretta caretta, Emys orbicularis, Testudo hermanni, Testudo marginata, Aldabrachelys gigantea und Testudo graeca beobachten dürfen.

Ich bin immer sehr dankbar für solche Begegnungen im Habitat. Besonders beeindruckend war der Schlupf eines Karettschildkröten Nests auf den Kapverdischen Inseln. Das erfüllt einen auch nach vielen Jahren noch mit Freude.

Frage 11
Was fasziniert dich so an diesen urzeitlichen Tieren?

Schildkröten gehören zur gleichen systematischen Gruppe wie die Dinosaurier. Seit vielen Millionen Jahren gibt es sie in fast unverändertem Erscheinungsbild, “urzeitlich” trifft es sehr gut.

Das finde ich faszinierend und liebenswert. Leider sind Schildkröten, obwohl sie die Dinosaurier überlebt haben, weltweit eine der am stärksten bedrohten Tiergruppen überhaupt, das sollte uns aufrütteln. Wenn wir sie jetzt nicht vor dem Aussterben retten, sind sie für immer verloren.

Schildkrötengehege von Frauke

 

Danke Frauke für das Interview!

Antworttexte und Gehegebilder: Frauke Hustinx


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