Von Amine & Hartmut Fehr
Auf die Folgen schwerer Haltungsfehler haben wir in der Vergangenheit bereits mehrfach hingewiesen (FEHR 2015, 2017). Einen weiteren Fall einer völlig falschen Haltung mit dramatischen Konsequenzen wollen wir im Folgenden kurz vorstellen.
Hierbei handelt es sich um eine Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). Das Tier ist weiblich und über 20 Jahre alt. Es wurde seit vielen Jahren auf dem Fußboden in der Wohnung gehalten und kannte in dieser Zeit weder eine artgerechte naturnahe Umgebung, noch Jahreszeiten (bis auf die warme Heizungsluft im Winter).
Über die Ernährung lagen keine Informationen vor. Es ist aber davon auszugehen, dass diese ebenfalls nicht artgerecht war. Bei Einlieferung in die Quarantäne- und Auffangstation für Landschildkröten in der StädteRegion Aachen fielen sofort die starken Atemgeräusche auf. Die Allgemeinuntersuchung in der hiesigen Tierheilpraxis zeigte zudem einen stark reduzierten Allgemeinzustand. Blutbild (Reptilienprofil) und Röntgenbild brachten Licht ins Dunkel.
Das Blutbild zeigte (erwartungsgemäß) ausgesprochen schlechte Nieren- und Leberwerte. Das Röntgenbild zeigte ein vermeintlich noch größeres Problem. In einer Darmschlinge befand sich eine geschlossene Metall-Perlenkette, wie sie als Schlüsselanhänger verwendet wird. Offenbar hatte das Tiere die Kette vom Fußboden „aufgesammelt“ und gefressen.
Die medizinischen Bemühungen bestanden zunächst in einer Stabilisierung des Tieres und die Verbesserung des Allgemeinzustandes, was zusehends gelang. Zur Entfernung des Fremdkörpers erfolgte zunächst der Einsatz konservativer Mittel, insbesondere die Gabe von Laxantien.
Eine erste Röntgen-Verlaufskontrolle nach einer Woche zeigte keine substanzielle Bewegung der Kette. Vor einem operativen Eingriff wurde über zwei weitere Wochen versucht, die Kette auf natürlichem Wege mit dem Darminhalt zu „entsorgen“.
Eine weitere Röntgen-Verlaufskontrolle zeigte aber das gleiche Bild: die Kette hatte sich so gut wie nicht weiterbewegt. Eine Operation war somit nicht zu vermeiden. Diese wurde von einem erfahrenen Reptilienfachtierarzt vorgenommen. Im Rahmen der OP wurde deutlich, warum die Kette nicht ausgeschieden werden konnte. Der Fremdkörper war bereits eingekapselt, hatte sich allerdings am leicht geöffneten Verschluss in der Darmwand verhakt. Folglich musste besonders vorsichtig und sorgsam vorgegangen werden.
Die gesamte OP dauerte dementsprechend lange, war schließlich aber erfolgreich. Die entfernte Kette war bereits korrodiert. Der Verschluss des Panzers erfolgte mit Technovit. Mittlerweile stabilisiert sich der Zustand der Schildkröte, so dass eine gute Prognose besteht. Einmal mehr zeigt dieses Beispiel, welche dramatischen Konsequenzen eine falsche Haltung haben kann. Man sollte meinen, dass bei dem großen Angebot an Informationen, die es im Internet, in Büchern und in Fachzeitschriften gibt, solche groben Haltungsfehler nicht mehr vorkommen. Leider ist dies nicht der Fall, wie wir immer wieder in der Auffangstation und Praxis feststellen müssen.
Literatur
FEHR, A. & H. FEHR (2015): Folgen schwerer Haltungsfehler bei Europäischen Landschildkröten
– Plädoyer für eine artgerechte Freilandhaltung. Schildkröten im Fokus 12(4), 2015: S. 15-21.
FEHR, A. (2017): Folgen schwerer Haltungsfehler am Beispiel einer Vierzehenschildkröte (Testudo horsfieldii) aus der Praxis für Alternative Tiermedizin. Testudowelt. 10.02.2017.
Autoren
Amine Fehr, Praxis für Alternative Tiermedizin
Hartmut Fehr, Diplom-Biologe
Offizielle Auffangstation für Landschildkröten in der StädteRegion Aachen
Reptilienauffangstation in der StädteRegion Aachen
Wilhelmbusch 11
52223 Stolberg (Rhld.)
Tel.: 02402-1274998
Internet:
www.tierheilpraxis-fehr.de
www.reptilienauffangstation-aachen.de
E-Mail: info@tierheilpraxis-fehr.de